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Veranstaltungsbericht: Hot Topic "Digitalisierung der Sozialverwaltung & bürgerfreundlicher Sozialstaat – Wo hakt es?"

Veranstaltungsbericht zum DIFIS Hot Topic "Digitalisierung der Sozialverwaltung & bürgerfreundlicher Sozialstaat – Wo hakt es? Herausforderungen aus Sicht der Kommunen"

Die Digitalisierung der Sozialverwaltung wird häufig mit dem politischen Ziel der Entlastung verbunden – einer Entlastung für Bürger*innen, denen der Zugang zu Sozialstaatsleistungen durch digitale Lösungen erleichtert werden soll, sowie für die öffentliche Verwaltung, die angesichts des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels an ihre Kapazitätsgrenzen stößt.

In den vergangenen Jahren hat der Bund erhebliche Mittel für die Digitalisierung der Sozialverwaltung bereitgestellt und in die Entwicklung von Portal- und Plattformlösungen investiert. Ein wichtiges Beispiel ist das Onlinezugangsgesetz (OZG), das als eines der umfassendsten Verwaltungsmodernisierungsprogramme der letzten Jahrzehnte gilt. Das OZG verpflichtet die Kommunen, die in vielen Bereichen des Sozialstaats die Hauptverantwortung für die Verwaltung sozialstaatlicher Programme und Maßnahmen tragen, digitale Zugänge für Bürger*innen anzubieten.

Dabei haben die Kommunen zwei Optionen: sie können eigene Dienste umsetzen, oder die Dienste, die mit dem Geld von Bund und Ländern entwickelt wurden, nachnutzen bzw. anbinden. Das föderale Mehrebenen-System, das die Regeln der Zusammenarbeit von Bund, Länder und Kommunen bestimmt, ist allerdings voller Hürden und Herausforderungen für die Akteure vor Ort. In der öffentlichen politischen Debatte werden diese Schwierigkeiten oft übersehen, was dazu geführt hat, dass das OZG als gescheitert gilt und als weiterer Beleg für die „digitale Rückständigkeit“ Deutschlands angeführt wird.

Vor diesem Hintergrund wurden am 12.12.2024 im Rahmen eines DIFIS Hot Topic zum Thema "Digitalisierung der Sozialverwaltung & bürgerfreundlicher Sozialstaat – Wo hakt es?" die Perspektive der Kommunen bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen diskutiert. Aktueller Anlass war das Positionspapier der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, das sich auch mit Fragen der Digitalisierung in der Sozialverwaltung befasst. Vier Experten aus Wissenschaft und Praxis erläuterten, warum die Lage der Kommunen bei der Digitalisierung ein ‚Hot Topic‘ ist und welche Schritte erforderlich sind, um die Digitalisierung der Sozialverwaltung voranzutreiben und den Weg zu einem bürgerfreundlicheren Sozialstaat zu ebnen, der sowohl Bürger*innen als auch der öffentlichen Verwaltung Entlastung bietet. Den Auftakt der Veranstaltung mit einem Bericht über die Bürokratielasten bei der Digitalisierung im Main-Kinzig-Kreis übernahm Thomas Weber, Chief Digital Officer (CDO) und Leiter des Amtes für Digitalisierung, IT und eGovernment Main-Kinzig-Kreis. Weitere Kurzimpulse erfolgten durch Marc Groß, Vertreter des Vorstands der KGSt, Leiter der KGSt-Programmbereiche. David Wilkskamp, Referatsleitung „Digitalisierung“ im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Dr. Philipp Richter, Referent im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg, verantwortlich für die Koordinierung, Planung und Monitoring der bundesweiten Federführung Brandenburgs im OZG Themenfeld. Die Diskussion wurde moderiert Prof. Dr. Tanja Klenk (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg).

In der Diskussion zeigte sich, dass in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen zur Digitalisierung der Sozialverwaltung eingeleitet wurden, die insbesondere auf Länderebene zu einer intensiveren Zusammenarbeit geführt haben. Allerdings spiegelt sich dies in der flächendeckenden Umsetzung oft noch nicht wider. Die enorme Heterogenität der institutionellen Konstellationen in Kommunen und Landkreisen, etwa in Bezug auf die Kooperation mit Rechenzentren, öffentlichen Dienstleistern für Informations- und Kommunikationstechnologie oder privaten Anbietern spezifischer Fachverfahrenslösungen, erschwert eine skalierbare Implementierung der im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) entwickelten digitalen Lösungen.

Um digitale Lösungen breit auszurollen und die Behörden bei der Implementierung von Digitalisierungsreformen zu unterstützen, bedarf es Ansätze, die den Behördenleitungen und den Beschäftigten durch Vereinfachung und Effizienzsteigerung der Prozesse auch Vorteile bringen. Derzeit sind digitale Prozesse oft aufwendiger und zeitintensiver als analoge Verfahren. Thomas Weber wies in diesem Kontext exemplarisch auf die Herausforderungen beim Wohngeld-Antrag hin und betonte die Schwierigkeiten kleinerer Kommunen und Landkreise, ihre Probleme in der öffentlichen Debatte zur Geltung zu bringen.

Eine stärkere Vereinheitlichung der Prozesse ist notwendig und kann auf verschiedenen Ebenen erreicht werden. Drei Aspekte wurden in der Diskussion besonders hervorgehoben:

  • Standardisierung: Vertreter sowohl der Länder als auch der Kommunen stimmten überein, dass die Standardisierung von Basiskomponenten wie Schnittstellen, elektronischen Akten, Bürgerkonten und digitalen Identifikationswegen entschieden vorangetrieben werden muss. Dabei ist ‚nur‘ Interoperabilität, keineswegs zwingend eine Harmonisierung (etwa von Fachverfahren) erforderlich.
  • Entlastung durch das ‚Once-Only-Prinzip‘: Obwohl das ‚Once-Only‘-Prinzip in der öffentlichen Diskussion breite Zustimmung findet, wird es in der Praxis kaum umgesetzt. Insbesondere in der Sozialverwaltung führen unterschiedliche Interpretationen des Sozialdatenschutzes zu erheblichen Unsicherheiten darüber, welche Daten digital geteilt werden dürfen. Diese Unsicherheit führt oft dazu, dass Daten auf traditionelle Weise geteilt werden, was neue Medienbrüche in den Digitalisierungsprozessen zur Folge hat. Dieser Mehraufwand für die Beschäftigten, einschließlich der oft manuellen Dateneingabe, verringert die Akzeptanz und Unterstützung für Digitalisierungsreformen.
  • Neuorganisation der Verantwortlichkeiten: Es bedarf einer systematischen Kritik der Aufgaben und Prozessschritte sowie einer Überlegung, welche Verwaltungsebene für welche Aufgaben zuständig sein sollte. Entlastung für Kommunen und Landkreise könnte durch die Förderung interkommunaler Zusammenarbeit oder durch die gezielte Zuweisung bestimmter Verfahrensschritte an größere Einheiten entstehen.

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