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Trauer um Franz-Xaver Kaufmann

Franz-Xaver Kaufmann war einer der Begründer der modernen Sozialpolitikforschung in Deutschland und hat diese von Beginn seines Wirkens an interdisziplinär verstanden und unter Nutzung der Vorgehensweisen und Wissensbestände etlicher Disziplinen betrieben.

Er selbst hatte in seinem Studium in den 1950er Jahren Vorlesungen und Seminare in der Rechtswissenschaft, in den Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie besucht und schließlich in Wirtschaftswissenschaften promoviert. An der Universität Münster wurde er 1968 habilitiert und erhielt die venia legendi für Soziologie und Sozialpolitik. Für diese beiden Felder wurde er noch in demselben Jahr auf eine Professur an der in Gründung begiffenen Universität Bielefeld berufen. Dort förderte er sowohl die Anfänge der Gesundheitswissenschaft als auch die stärkere Verbindung von Sozialpolitik, Familiensoziologie und Bevölkerungswissenschaft.

Seine Zuwendung zu Fragen der sozialen Sicherung war immer bestimmt durch seinen Glauben und die Verwurzelung in der katholischen Soziallehre. Sozialethische und ideengeschichtliche Themen beschäftigten ihn von seiner ersten großen Monographie zum Begriff Sicherheit („Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem“) bis zur Arbeit „Sozialpolitisches Denken: Die deutsche Tradition“ und prägten viele weitere Studien, die in den Sammelbänden „Sozialstaat als Kultur“ und „Soziologie und Sozialethik“ zusammengeführt vorliegen. Den Blick von außen auf den deutschen Sozialstaat bearbeitete er in einer Verbindung von historischer, soziologischer und politikwissenschaftlicher Analyse in „Varianten des Wohlfahrtsstaats. Der deutsche Sozialstaat im internationalen Vergleich“.

Diese disziplinär weitgespannte Forschung ging einher mit einer Beförderung der Sozialpolitikforschung in allen relevanten wissenschaftspolitischen und institutionellen Kontexten. Nicht zuletzt ist auf Anregung von Franz-Xaver Kaufmann (und Stephan Leibfried) das Fördernetzwerk Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (FIS) entstanden, in dessen Rahmen auch das DIFIS wirkt.

Seine Forschungsprojekte in den 1970er und 1980er Jahren von „Verwaltung und Publikum“ über „Wirkungsanalysen der Sozialpolitik“ bis hin zu „Steuerung und Erfolgskontrolle im öffentlichen Sektor“ setzten Themen, die heute wieder höchst aktuell sind. All diese Aktivitäten gingen einher mit einem reflektierenden Blick auf die sozialen Hintergründe der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit, niedergelegt in „Zwischen Wissenschaft und Glauben. Persönliche Texte“.

Wir sind dankbar, einen derart kenntnisreichen, allen Disziplinen gegenüber offenen und immer den Kolleg*innen zugewandten Wissenschaftler im Feld der Sozialpolitikanalyse erlebt zu haben. Wir danken für die lange Zeit seines Wirkens und eine ganz außerordentliche Person. 

Für das Deutsche Institut für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung

Prof. Dr. Ute Klammer und Prof. Dr. Frank Nullmeier

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