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Veranstaltungsbericht: Brown-Bag-Runde "Sozialpolitik und innereuropäische Migration"

Das fundamentale Recht auf Personenfreizügigkeit ist innerhalb der Europäischen Union fest etabliert und wird von der Bevölkerung hochgeschätzt. Jedoch waren und sind „Grenzziehungen“ innerhalb des Freizügigkeitsrechts und dem damit verbundenen Recht auf Zugang zu Sozialleistungen ein (sozial-)politisch und -rechtlich stets stark beachtetes Thema. Mit der EU-Binnenmigration gehen sozialpolitische Konflikte und Spannungen einher, die historisch und im internationalen Vergleich jedoch nicht einmalig sind. Aber was kann die heutige Politik in Europa aus den Erfahrungen anderer (kon)föderaler Systeme (Vereinigte Staaten von Amerika und Norddeutscher Bund/Deutsches Reich) lernen?

Die FIS-geförderte Nachwuchsgruppe Freizügigkeit und Sozialpolitik im historischen und internationalen Vergleich (FuS) untersucht das Spannungsverhältnis von EU-Binnenmigration und Sozialhilfeleistungen (SGB II und SGB XII) im Vergleich zum historischen Deutschland und den USA.

Zentrale Erkenntnisse dieses Vergleichs haben Dominic Afscharian, Thore Menze sowie Edward Mohr (alle Eberhard Karls Universität Tübingen) am 06. Mai 2024 im Rahmen einer DIFIS Brown-Bag-Runde zum Thema Sozialpolitik und innereuropäische Migration mit Vertreter*innen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales diskutiert.

Das transdisziplinäre Forscherteam hat ausgewählte Ergebnisse auf Basis von Expert*innengesprächen und Prozess- sowie Dokumentenanalysen vorgestellt – mit Fokus auf bestehende lokale Problemlagen in deutschen Städten im Anschluss an die EU-Erweiterungen der 2000er Jahre. Die darauf bezogenen Änderungen der deutschen Sozialgesetzgebung und ihr Hintergrund wurden von den Vortragenden vergleichend eingeordnet, Risiken der Gesetzgebung und ihre Auswirkung auf die Zuwanderung präsentiert und konkrete Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Zudem wurden vergangene und aktuelle Diskussionen an der Schnittstelle von Migration und Sozialpolitik – vor allem die Idee des „Sozialtourismus“ – kontextualisiert. Die vorgestellten Ergebnisse ergänzen die vorliegenden sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Bedingungen, der Akzeptanz und den Effekten unterschiedlicher Freizügigkeitsrechte. Die vorgelegten Forschungsergebnisse legen nahe, dass die mit den Leistungsausschlüssen in SGB II und XII verbundene Begrenzung der EU-Freizügigkeit Risiken für Arbeitsmarktintegration und die soziale Lage in betroffenen Städten impliziert. Leistungsausschlüsse können sozial prekäre Zuwanderung nicht vollständig verhindern. Um problematische Arbeits- und Lebensbedingungen im Kontext der Binnenmigration zu begrenzen, sind vielmehr unterstützende sozialpolitische Interventionen auf den verantwortlichen föderalen Ebenen notwendig. In lokalen Projekten besonders betroffener Kommunen werden diesbezüglich bereits Ansätze erprobt und evaluiert. Das große Skandalisierungspotenzial des Themas könnte wirksame Lösungen erschweren.

In der anregenden Diskussion wurde der Bogen von aktuellen Zuwanderungsdebatten hin zu künftigen Herausforderungen und möglichen Politikmaßnahmen angesichts mittelfristig anstehender EU-Erweiterungen geschlagen.

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