Die Sozialgerichtsbarkeit und die Entwicklung von Sozialrecht und Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

Geförderte Institution: Universität Kassel, Fachbereich 01 Humanwissenschaften


Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Felix Welti (E-Mail schreiben), Fachbereich 01 Humanwissenschaften, Universität Kassel und Prof. Dr. Tanja Klenk (E-Mail schreiben), Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

Die interdisziplinäre rechts- und sozialwissenschaftliche Nachwuchsgruppe soll einen Beitrag zur Erforschung der deutschen Sozialgerichtsbarkeit als eine wesentliche Institution im Gefüge des sozialen Rechtsstaats und der Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland leisten. Dabei ist insbesondere die spezifische Rechtskultur der Sozialgerichtsbarkeit von Interesse, die den Anspruch erhebt, einen niedrigschwelligen Zugang zum Recht zu gewährleisten, der Verwirklichung sozialer Rechte zu dienen und die sozialpolitischen Interessen sowohl durch ehrenamtliche Richterschaft wie als Prozessparteien einzubinden.

Ziel der gemeinsamen Arbeit der Nachwuchsgruppe ist es, sozialwissenschaftliche, politikwissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Konzepte zur Erforschung von Sozialrecht und Sozialpolitik systematisch weiterzuentwickeln, so dass am Ende des Förderzeitraumes Konturen eines transdisziplinären Ansatzes sichtbar werden und qualifizierter Nachwuchs zur weiteren Bearbeitung des Themenbereichs zur Verfügung steht. Die interdisziplinäre Nachwuchsgruppe soll insbesondere Themen aus drei Schwerpunkten bearbeiten. Schwerpunkt 1 Sozialgerichtsbarkeit und Sozialpolitik soll setzt sich grundsätzlich damit auseinander, inwieweit die Gestaltung und der Wandel der Sozialgerichtsbarkeit mit Hilfe rechtswissenschaftlicher, politikwissenschaftlicher und soziologischer Konzepte und Theorien erfasst werden kann. Im Schwerpunkt 2 Sozialpolitikforschung mit Sozialgerichtsdaten der Nachwuchsgruppe soll unter rechtssoziologisch-methodischen Aspekten systematisch aufgearbeitet werden, welche Erkenntnischancen sich für Fragestellungen für die Sozialrechts- und Sozialpolitikforschung ergeben, indem verfügbare Statistiken zu sozialrechtlichen Themen konsequent und kontinuierlich als Datenquellen genutzt werden. Im dritten Schwerpunkt Rechtsschutz im Sozialstaat im internationalen Vergleich der Nachwuchsgruppe soll vergleichend untersucht werden, inwiefern sich der Rechtsschutz in Angelegenheiten des Sozialrechts in Deutschland von dem in anderen entwickelten Ländern mit sozialem Sicherungssystem innerhalb und außerhalb der EU unterscheidet. Hier soll insbesondere herausgearbeitet werden, wie die in anderen europäischen Ländern praktizierte Integration des Rechtsschutzes im Sozialrecht in Arbeits- oder Verwaltungsgerichtsbarkeiten oder der im außereuropäischen Ausland stark zurückgenommene Rechtsschutz sich auf die Ausgestaltung des Sozialstaats im Ganzen auswirkt.

Weitergehende Informationen zur Nachwuchsgruppe finden Sie hier.

Berichte aus der Nachwuchsgruppe

Rechtsmobilisierung im sozialrechtlichen Verfahren – Bericht über die interne Fachkonferenz der Nachwuchsgruppe am 30.11.2018 in Kassel

Im Januar fand in Fulda ein weiterer Workshop der Nachwuchsgruppe „Die Sozialgerichtsbarkeit und die Entwicklung von Sozialrecht und Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland“ statt. Rund 20 Teilnehmende aus dem Kreis der Nachwuchsgruppe und der Arbeitsgruppe Sozialgerichtsforschung im Forschungsverbund Sozialrecht und Sozialpolitik der Hochschule Fulda und der Universität Kassel (FoSS) tauschten sich über die Verwendung empirischer Daten in der (sozial-)rechtswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Forschung aus. Der Workshop gehörte thematisch zum Thema „Sozialpolitikforschung mit Sozialgerichtsdaten“, einem von drei Schwerpunkten des Nachwuchsprojektes.

Prof. Dr. Michael Wrase vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) eröffnete mit seinem Vortrag „Recht als soziale Praxis“ die Werkstatt und erschloss, so der Untertitel, einen rechtssoziologisch-theoretischen und empirischen Blick auf Rechtsdogmatik und Rechtspraxis. Darin warf er insbesondere die Frage nach der Zuordnung der Rechtswissenschaft zur Geistes- oder Sozialwissenschaft auf, erläuterte den Umgang mit „dem Recht“ durch die Sprachgemeinschaft der Juristinnen und Juristen und stellte auch Bezüge ihres professionellen Handelns zu Pierre Bourdieus Konzept des Habitus und seiner spezifischen Ausprägung im juristischen Feld her. In der von Prof. Dr. Simone Kreher (Hochschule Fulda) moderierten Diskussion im Anschluss wurde insbesondere die der Rechtswissenschaft eigene Abgeschlossenheit thematisiert, der die Forderung nach einer größeren Öffnung gegenüber Wissen und Praxis anderer Disziplinen entgegengestellt wurde.

Im zweiten Teil stellten die Promovierenden vor, welche Bedeutung empirischen Daten verschiedener Typen und unterschiedlicher Aggregationsebenen in ihren jeweiligen Qualifikationsvorhaben zukommt. Dabei standen unter anderem Überlegungen zur Erhebung eigener Daten und zum Umgang mit verfügbaren Daten aus anderen Quellen im Fokus, die anhand der konkreten Forschungsfragen von den anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kommentiert und eingeordnet wurden. Die Diskussion führte dann jeweils zur Frage der Erkenntnischancen und Grenzen der Promotionsprojekte hin und regte die Promovierenden zu konkreten methodologischen Überlegen an, die anstehende forschungsmethodische Entscheidungen befördern sollen.

Daran anschließend war der zweite Tag dem Austausch über die Zugänge zu und die Arbeit mit (Sozialgerichts-)Daten gewidmet. Über Verfügbarkeit und Nutzen, methodologische Ausgangsüberlegungen und Herausforderungen sowie konkrete Erkenntnischancen wurden von Werner Hofmann, Prof. Dr. Simone Kreher (beide Hochschule Fulda) aus sozialwissenschaftlicher und Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel) aus rechtswissenschaftlicher Perspektive noch einmal zugespitzt. Die von Prof. Dr. Tanja Klenk (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) moderierte Diskussion griff auch Überlegungen des Eröffnungsvortrages noch einmal auf: Ausgehend von einem Doppelcharakter der Rechtswissenschaft als Geistes- und Sozialwissenschaft debattierten die Teilnehmenden über das Zusammenspiel von Recht und Empirie sowie über aktuelle Anforderungen an eine sich empirisch verstehende Sozialrechtswissenschaft.




Rechtsmobilisierung im sozialrechtlichen Verfahren – Bericht über die interne Fachkonferenz der Nachwuchsgruppe am 30.11.2018 in Kassel

Zu Fragen der Rechtsmobilisierung im sozialrechtlichen und sozialgerichtlichen Verfahren führte die Nachwuchsgruppe „Die Sozialgerichtsbarkeit und die Entwicklung von Sozialrecht und Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland“ am 30. November 2018 eine interne Fachkonferenz in Kassel durch. Rund 20 Vertreterinnen und Vertreter von am Verfahren beteiligten Akteursgruppen, darunter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gewerkschaften und Verbänden, Beschäftigte in Beratungseinrichtungen, haupt- und ehrenamtliche Richterinnen und Richter sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, brachten im Format einer moderierten Gruppendiskussion ihre Expertise und Erfahrung zu den Themen Beratung sowie individuelle und kollektive Rechtsdurchsetzung ein.

Die durch das Fördernetzwerk Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung geförderte Nachwuchsgruppe erforscht verschiedene Teilaspekte des Sozialrechts und des sozialgerichtlichen Verfahrens in sozial-, politik-, und rechtswissenschaftlichen Qualifizierungsarbeiten. Zwei Vorhaben befassen sich mit Fragen individueller und kollektiver Rechtsmobilisierung und -durchsetzung, wobei das Forschungsinteresse insbesondere auf der Rolle der Verbände in der Beratung und im sozialgerichtlichen Verfahren liegt.

Im ersten Teil der Konferenz stand die Beratung durch Träger der Freien Wohlfahrtspflege, Gewerkschaften und andere Beratungseinrichtungen als niedrigschwelliger Zugang zum Recht im Mittelpunkt. Nach einer Einführung durch Katharina Weyrich in das Thema ihres Promotionsvorhabens diskutierten die Expertinnen und Experten im Beisein weiterer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Fragen zu Wirkung und Funktion von Beratung für das sozialgerichtliche Verfahren, über Unterschiede zwischen den Einrichtungen, ihre Handlungsspielräume und die Rolle und Aufgabe der Verbände, Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen. In der von Prof. Dr. Tanja Klenk (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) und Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel) moderierten Diskussion bestand große Einigkeit in der Einschätzung, dass vorgerichtlicher Beratung eine gewisse Filterfunktion im Hinblick auf spätere Verfahren zukommt und die Beratenden ihre Aufgabe in der Ordnung, Strukturierung und rechtlichen Aufbereitung der zugrundeliegenden Lebenslagen sehen. Betont wurde zugleich eine besondere, mit Vertrauen ausgestattete Funktion der nichtbehördlichen Beratung, Rechtsuchende zu ermutigen, ihre Rechte gegenüber Behörden und Leistungsträgern geltend zu machen. Zustimmung fand die Einschätzung, dass (Rechts-)Unkenntnis und fehlende Informationen Hemmungen verursachen, ein Widerspruch- oder Klageverfahren anzustrengen. Behördenunabhängige Beratung leiste daher einen Beitrag zur individuellen Rechtsmobilisierung.

Auch im zweiten Teil der Konferenz war die Rolle der Verbände das Thema der Diskussion, nun aber mit dem Fokus auf einen besonderen prozessualen Gesichtspunkt: Moderiert von Prof. Dr. Andreas Hänlein (Universität Kassel) und Prof. Dr. Simone Kreher (Hochschule Fulda) tauschten die Expertinnen und Experten ihre Ansichten zur Einführung einer Verbandsklage in die sozialgerichtliche Verfahrensordnung aus. Zunächst hatte Solveig Sternjakob, die diese Frage in ihrem Promotionsvorhaben untersucht, die Besonderheiten einer altruistischen Verbandsklage und die Hintergründe der Einführung dieses Instruments in Frankreich einführend erläutert. In der Debatte zeigte sich, dass der mögliche Nutzen einer solchen Klageart auch im deutschen sozialgerichtlichen System, das traditionell auf die individuelle Geltendmachung eigener Rechte angelegt ist, jedenfalls von den Anwesenden durchaus gesehen wird. Es könnte also Bedarf an einer solcher Reform bestehen, insbesondere um Nachteile des Individualrechtsschutzes auszugleichen. Kontroverser wurden die Fragen diskutiert, welches die denkbaren Anwendungsfälle einer solchen Klage sein könnten und ob Verbände bestimmte Kriterien – etwa Erfahrung oder Gemeinwohlorientierung – erfüllen müssten, um klagebefugt zu sein.

Die Diskussionen zu diesen und weiteren Fragestellungen der Fachkonferenz beleuchteten wesentliche Aspekte von Rechtsmobilisierung aus der Sicht und mit dem Erfahrungswissen der anwesenden Akteure der Beratung und des sozialgerichtlichen Verfahrens. Die Nachwuchsgruppe konnte so über einzelne Bereiche des Projekts einen ersten nichtöffentlichen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Praxis anstoßen. Darauf aufbauend können die Mitglieder Fragestellungen in den einzelnen Vorhaben präzisieren und weitere Impulse für die Projektarbeit insgesamt gewinnen.




Bericht über den Workshop der Nachwuchsgruppe zum Forschungsschwerpunkt „Sozialgerichtsbarkeit und Sozialpolitik“ am 5. und 6. Juli 2018 in Kassel

Die Nachwuchsgruppe „Die Sozialgerichtsbarkeit und die Entwicklung von Sozialrecht und Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland“ führte am 5. und 6. Juli 2018 in Kassel einen Workshop zu ihrem Forschungsschwerpunkt „Sozialgerichtsbarkeit und Sozialpolitik“ durch. Die interdisziplinäre rechts- und sozialwissenschaftliche Nachwuchsgruppe untersucht die Sozialgerichtsbarkeit als wesentliche Institution im sozialen Rechtsstaat und in der Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Sie arbeitet dazu in drei Schwerpunkten. Der Arbeitsschwerpunkt „Sozialgerichtsbarkeit und Sozialpolitik“ gründet auf der Feststellung, dass die Verknüpfungen zwischen beiden Bereichen bislang weder politikwissenschaftlich noch sozialrechtswissenschaftlich empirisch und konzeptionell aufgearbeitet worden sind. Die politische Relevanz der Gerichtsbarkeit zeigt sich jedoch etwa dann, wenn Entscheidungen Einfluss auf sozialpolitische – etwa gesetzgeberische – Maßnahmen haben. An der Zunahme von Klagen kann sich die Konflikthaftigkeit von Rechtsnormen ablesen lassen. Die Sozialgerichtsbarkeit ist als eine Arena im Sozialstaat anzusehen, in der verteilungspolitische Konflikte ausgetragen werden.

Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien standen daher im Fokus des ersten Workshoptages, an dem die Mitglieder der Nachwuchsgruppe verschiedene konflikttheoretische Konzepte vorstellten und in Bezug zu ihrem jeweiligen spezifischen Forschungsthema setzten. Die Überlegungen und Thesen wurden zunächst von Prof. Dr. Tanja Klenk, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, kommentiert und dann unter den rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem Kreis des Forschungsverbundes Sozialrecht und Sozialpolitik der Hochschule Fulda und der Universität Kassel (FoSS) und aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales intensiv diskutiert. Die Diskussion diente der Nachwuchsgruppe unter anderem dazu, das Forschungsthema aus unterschiedlichen  Perspektiven sozialwissenschaftlicher Theorie in den Blick zu nehmen und so bisherige Denkansätze zu vertiefen und neue zu erschließen.

Den zweiten Workshoptag eröffnete Prof. Dr. Felix Welti, Universität Kassel, mit einem Vortrag über „Sozialgerichtsbarkeit und Sozialpolitik aus rechtlicher Sicht“, in dem er die strukturelle Kopplung von Recht und Politik im Verfassungsstaat beschrieb. Der Rechtswissenschaftler erläuterte insbesondere neben der primären Kopplung durch die Gesetzgebung weitere Kopplungen von (Sozial-)Politik und Recht/Gerichtsbarkeit im Hinblick auf Organisation, Personalauswahl, Rechtsauslegung und Gesetzgebung sowie bei der Einbeziehung von Wissen und Diskursen in die Rechtsfindung. Die zur Diskussion gestellten Thesen und die Debatte im Anschluss griffen unter anderem den „Dialog“ zwischen Rechtsetzung und Rechtsprechung auf, der etwa dann festzustellen sei, wenn Gesetzgebung Bezug auf Impulse aus der Rechtsprechung nehme, die dies umgekehrt antizipieren könne.

Im Anschluss referierte Dr. Marc von Miquel, Geschäftsführer der Dokumentations- und Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger in Bochum, über historische Forschung in der Sozialgerichtsbarkeit. So stellte er unter anderem das in der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit durchgeführte Projekt „Sozialgerichtsbarkeit und NS-Vergangenheit - Karrierewege, Konflikte, Rechtsprechung am Beispiel Nordrhein-Westfalens“ vor.




Bericht über den Workshop der Nachwuchsgruppe am 27. und 28. Juni 2019 zum Forschungsschwerpunkt "Rechtsschutz im Sozialstaat im internationalen Vergleich"

Im Juni fand an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr (HSU) der Workshop der Nachwuchsgruppe „Die Sozialgerichtsbarkeit und die Entwicklung von Sozialrecht und Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland“ zum Projektschwerpunkt „Rechtsschutz im Sozialstaat im internationalen Vergleich“ statt. An der Veranstaltung mit internationalen Gästen aus Wissenschaft und Praxis nahmen neben der Nachwuchsgruppe Mitglieder der Arbeitsgruppe Sozialgerichtsforschung im Forschungsverbund Sozialrecht und Sozialpolitik der Hochschule Fulda und der Universität Kassel (FoSS), Angehörige der HSU und des BMAS sowie weitere Promovierende der Universität Kassel teil.

Prof. Dr. Eberhard Eichenhofer (Friedrich-Schiller-Universität Jena) eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag zur Methode der Rechtsvergleichung und über ihre Bedeutung für die Sozialgerichtsforschung. In der von Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel) geleiteten Diskussion im Anschluss wurden neben den besonderen Herausforderungen sowie methodischen Einbettungen des Sozialrechtsvergleichs die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit und die Wirksamkeit des internationalen Vergleichs für Politik und Praxis thematisiert.

Der erste größere Themenblock bot einen Blick auf die französische Sozialgerichtsbarkeit. Dr. Francis Kessler von der Sorbonne Paris referierte über die historische Entstehung und die jüngsten Reformen in der französischen Sozialgerichtsbarkeit. In der von Prof. Dr. Simone Kreher (Hochschule Fulda) geleiteten Diskussion wurden die Komplexität des Rechtsschutzes im Sozialrecht durch den Gerichtsaufbau in Frankreich und die Zweiteilung auf Zivil- und Verwaltungsgerichte thematisiert. Dies leitete über zur Arbeit von Solveig Sternjakob zum französischen und deutschen Verbandsklagerecht. Die Doktorandin in der Nachwuchsgruppe nimmt in ihrer Untersuchung einen funktionalen Vergleich überindividueller Klagen in beiden Rechtssystemen vor. Diskutiert wurden Funktionen der neuen Musterfeststellungsklage und der Verbandsklage nach dem Behindertengleichstellungsgesetz einerseits sowie der französischen action en reconnaissance de droits andererseits verbunden mit der Frage, ob und inwieweit diese für das Sozialrecht nutzbar gemacht werden könnten.

Am zweiten Workshoptag stand der Rechtsschutz im britischen System im Fokus. Pete Burgess, der zuletzt an der University of Greenwich geforscht hat, stellte den Aufbau des Rechtsschutzes im britischen Sozialstaat vor. Schwerpunkt der von Prof. Dr. Tanja Klenk (HSU) moderierten Diskussion waren auch Fragen des materiellen Sozialrechts im Vereinigten Königreich, etwa die Umstellung des britischen Leistungssystems auf das System des Universal Credit. Mit dem Rechtsschutz in der britischen Absicherung bei Arbeitslosigkeit im Vergleich zum deutschen System beschäftigt sich innerhalb der Nachwuchsgruppe Alice Dillbahner in ihrem Promotionsvorhaben, das in diesem Themenblock präsentiert wurde. Diskutiert wurden im Anschluss unter anderem die unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen in beiden Ländern, die Rolle des EGMR bei der Überprüfung der Verwaltung sowie die besondere Gestaltung der Verfahrensgrundsätze im britischen System.

Zum Abschluss des Workshops stellten drei weitere an der Universität Kassel Promovierende ihre Promotionsvorhaben vor, die ebenfalls rechtsvergleichend sozialrechtliche Fragestellungen aufgreifen. René Dittmann (Thema: Return to work in Deutschland, Österreich und der Schweiz), Lilit Grigoryan (Einbettung und Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, Dänemark und Österreich) und Jasmin Haider (Die Neuausrichtung des Pflegeberufs in Deutschland, Österreich und der Schweiz) präsentierten ihre Forschungsfragen und -methoden und hatten Gelegenheit, diese mit den anwesenden Wissenschaftler*innen zu diskutieren.