Kaum Nachhaltigkeit und Transparenz bei der VBL
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist mit etwa fünf Millionen Versicherten die größte Zusatzversorgungskasse Deutschlands. Wo sie das Geld anlegt, bleibt weitgehend ihr Geheimnis. Magdalena Senn und Jan Sieveking von der Bürgerbewegung Finanzwende schreiben über Defizite der VBL in Sachen Nachhaltigkeit und die Gefahren für die sozial-ökologische Transformation.
Jeden Monat Geld für eine Betriebsrente zur Seite legen müssen, aber nicht wissen, wohin das Geld fließt? Womöglich in klimaschädliche Unternehmen und fossile Energien? Das ist Realität für über fünf Millionen Versicherte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Sie wissen weder, wo ihr Geld angelegt ist, noch haben sie Einfluss auf Investitionsentscheidungen. Aus dem Geschäftsbericht erschließt sich lediglich, dass das Geld hauptsächlich in Investmentfonds steckt – nicht aber, in welchen Branchen und Unternehmen. Für zahlreiche Beschäftigte des öffentlichen Dienstes stellt die VBL die betriebliche Säule der deutschen Altersvorsorge. Für sie verwaltet die Behörde Kapital mit einem Marktwert von über 50 Milliarden Euro. Die in Karlsruhe ansässige VBL ist damit eine der größten institutionellen Investorinnen Deutschlands.
Einer riesigen öffentlichen Kapitalsammelstelle wie der VBL wird in Zeiten der dringend nötigen sozial-ökologischen Transformation in Deutschland eine besondere Verantwortung zuteil. Ihre Anlagestrategie ist auch die Entscheidung darüber, welche Industrien und Geschäftsmodelle mit den Ersparnissen ihrer Versicherten unterstützt werden. Aufgrund ihrer beachtlichen Größe beeinflusst dies nicht nur, wie viel Geld den Mitgliedern später zur Verfügung steht, sondern auch, ob die derzeitigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihren Ruhestand in einigen Jahren oder Jahrzehnten auf einem lebenswerten Planeten verbringen können.
Doch die selbst auferlegten Vorgaben zur Nachhaltigkeit der VBL sind wenig ambitioniert und die Kontrolle ihrer Einhaltung bleibt unklar. In der Folge besteht die Gefahr, dass die VBL-Anlagestrategie im Widerspruch zu den Klimazielen der Bundesregierung wie dem Erreichen des 1,5-Grad-Ziels steht, die diese unter anderem mittels Sustainable Finance erreichen will. Und das, obwohl die VBL direkt vom Bundesministerium der Finanzen beaufsichtigt wird. Mit einer Klage versuchen die Bürgerbewegung Finanzwende und die Transparenz-Organisation FragDenStaat die VBL zur Herausgabe von Informationen über die konkrete Anlage dieser Mittel zu bewegen. Gerade weil diese Informationen derzeit fehlen, werfen die Nachhaltigkeitsziele dieses riesigen staatlichen Vermögensverwalters Fragen auf.
Eine Pensionskasse für Angestellte im öffentlichen Dienst
Die VBL wurde 1929 mit dem Ziel gegründet, öffentlich Beschäftigten eine attraktive zusätzliche Altersvorsorge anbieten zu können. Sie versichert beispielsweise wissenschaftliche Mitarbeitende, Verwaltungskräfte, Erzieher*innen und viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Sie erhalten die Leistung zusätzlich zur umlagefinanzierten gesetzlichen Rente, bei der derzeitige Arbeitnehmer*innen die Rente der derzeitigen Rentner*innen zahlen. Um den Geldwert der eingezahlten Beträge über den Zeitraum eines Arbeitslebens gegen Wertverlust abzusichern und darüber hinaus zu vermehren, wird dieses Geld am Kapitalmarkt angelegt. Diese Kapitalverwaltung ist die Kernaufgabe der VBL.
In ihrem Geschäftsbericht von 2021 gibt die VBL begrenzt Auskunft darüber, wie das Geld angelegt wird: ein kleinerer Anteil liegt demnach in Aktien-, Immobilien- und Rentenfonds. Fast 90 Prozent der Altersvorsorge ihrer Mitglieder ist in sogenannten Mischfonds angelegt, in denen verschiedene Assetklassen stecken. SustainVBL, eine Initiative von Versicherten der VBL kritisiert, dass sie auf Basis dieser spärlichen Angaben nicht nachvollziehen können, in welche Branchen und Unternehmen ihr Geld tatsächlich investiert wird. Auch auf ihre Anfragen hin hat die VBL keine weiteren Informationen über ihre Kapitalanlagen zur Verfügung gestellt. Wer beispielsweise eine staatlich geförderte Riester-Rente abgeschlossen hat, hat ein Recht auf Informationen zu sozialen und ökologischen Belangen.
Die unzureichende Nachhaltigkeitsstrategie der VBL
Die VBL scheint verstanden zu haben, dass das Thema der Nachhaltigkeit ihrer Anlagen für die Versicherten und die Öffentlichkeit in Deutschland wichtig geworden ist. Sie brüstet sich deshalb, wie viele andere Finanzakteure, mit einer Nachhaltigkeitsstrategie (VBL 2022).
Demnach wollte die VBL bis 2025 aus Unternehmen aussteigen, die mehr als 40 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle machen – inzwischen hat sie diesen Schwellenwert auf 25 Prozent gesenkt. Was erstmal nach Fortschritt klingt, bleibt wahrscheinlich ziemlich ineffektiv. Sogar Investments in RWE, den größten CO2-Emittenten Europas, wären unter der neuen 25-Prozent-Regel noch möglich. Denn RWE verdient aktuell 23 Prozent seines Umsatzes mit Kohle. Baden-Württemberg hat kürzlich neue Kriterien für seine Finanzanlagen festgelegt und schließt Unternehmen ab 1 Prozent Umsatz mit Kohle aus. Zusätzlich werden Unternehmen ab 10 Prozent Umsatz mit Erdöl und 50 Prozent mit Erdgas ausgeschlossen.
Ob die kürzlich versprochene Reduzierung der CO2-Intensität des Portfolios (VBL 2023) die Kapitalanlagen der VBL wirklich nachhaltiger macht, bleibt abzuwarten. Die CO2-Intensität gibt die Emissionen in Tonnen CO2 pro Millionen Euro investierten Kapitals an. Theoretisch können die absoluten CO2-Emissionen bei einer Abnahme der CO2-Intensität sogar steigen. Nämlich dann, wenn zusätzlich in emissionsintensives Geschäft investiert wird und das verwaltete Vermögen darüber hinaus in dem Maße wächst, dass zwar die Emissionen pro investiertem Euro sinken, absolut aber steigen.
Darüber hinaus nutzt die VBL sogenannte ESG-Kriterien für die Kapitalanlage. Solche Kriterien werden von Investoren verwendet, um Unternehmen bezüglich ihrer Auswirkungen im Bereich Umwelt (E -Environment), Soziales (S - Social) und Unternehmensführung (G - Governance) einzustufen und positiv bewertete Unternehmen zu bevorzugen. Doch häufig unterscheidet sich die ESG-Bewertung eines einzelnen Unternehmens zwischen Anbietern von ESG-Ratings. Es bleibt bei der VBL unklar, auf welche Anbieter von ESG-Informationen sie zurückgreift und wie genau die Bewertungen in Investitionsentscheidungen einfließen. Eine entschiedene, reale Umorientierung des VBL-Portfolios und Ausrichtung am 1,5-Grad-Ziel ist durch diese Nachhaltigkeitsziele deshalb nicht zu erwarten. ESG-Kriterien stellen einen Trend in der gesamten Finanzbranche dar und finden auch bei institutionellen Anleger*innen und Publikumsfonds häufig Verwendung. Sie sind aber kein rechtlich definierter Begriff und garantieren den Versicherten der VBL ohne weitere Konkretisierung keinen tatsächlichen Wandel.
Weiterhin möchte sich die VBL im Rahmen eines “Engagement-Ansatzes” direkt bei den Unternehmen, in die sie investiert, für nachhaltige Geschäftspraktiken einsetzen. Aber auch hierzu finden sich in den Angaben der VBL keine konkreteren Informationen, beispielsweise bezüglich spezifischer Ziele und Erfolge dieses Engagements. Eine effektive und glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie sieht anders aus.
Transparenz der Kapitalanlagen
Ein erster großer und recht einfacher Schritt, den die VBL gehen könnte, um die vielen Unklarheiten auszuräumen, wäre die Offenlegung ihrer derzeitigen Investments. Die Investitionen zu veröffentlichen, ist bei Publikumsfonds in der EU sogar gesetzlich vorgeschrieben. Der öffentliche norwegische Pensionsfonds, der derzeit größte Staatsfond der Welt, ist zum Beispiel sehr transparent und veröffentlicht fortlaufend eine exakte Liste seiner Unternehmensbeteiligungen. Auch der staatliche Fonds zur Finanzierung der kernenergetischen Entsorgung (KENFO) in Deutschland legt sein Portfolio offen.
Bleibt die VBL bei Ihrer Intransparenz über die Nachhaltigkeit ihrer Anlagen, wird sie der Vorbildfunktion einer öffentlichen Institution im Finanzsektor nicht gerecht. Damit gefährdet sie potentiell auch die sozial-ökologische Transformation in Deutschland. Zuerst muss also Licht ins Dunkel der Anlagestrategie der VBL gebracht werden. Darüber hinaus sollte die VBL Geld so anlegen, dass es mit den internationalen Klimazielen vereinbar ist.
Fragen rund um die Nachhaltigkeit öffentlicher Kapitalanlagen rücken derzeit auch beim sogenannten Generationenkapital der Ampelregierung in die Diskussion. Finanzminister Lindner will dabei Geld für die gesetzliche Rente in Aktien investieren. Das wäre ein guter Anlass, um neue Standards zu setzen für öffentliche Kapitalanlagen, die mit den Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klimaabkommen und einer Erderwärmung von nicht mehr als 1,5°C kompatibel sind. Diese Standards sollten dann auch für andere öffentliche Kapitalanlagen wie die der VBL gelten.
Magdalena Senn und Jan Sieveking 2023, Kaum Nachhaltigkeit und Transparenz bei der VBL, in: sozialpolitikblog, 19.10.2023, https://difis.org/blog/?blog=82 Zurück zur Übersicht

Magdalena Senn hat in Tübingen, Berlin und Paris Volkswirtschaft und politische Ökonomie studiert. Bei Finanzwende ist sie für das Themenfeld nachhaltige Finanzmärkte zuständig und arbeitet schwerpunktmäßig zu Greenwashing und zum zukunftsfähigen Umbau des Finanzsystems.
Bildnachweis: Bürgerbewegung Finanzwende

Jan Sieveking hat in Nancy (Frankreich), Hyderabad (Indien) und Berlin Sozialwissenschaften sowie Politikwissenschaft mit einem Fokus auf politische Ökonomie studiert. Als Praktikant bei Finanzwende unterstützt er die Recherchearbeit zu nachhaltigen Finanzmärkten sowie dem Verhältnis zwischen Finanzsystem und Realwirtschaft.
Bildnachweis: Privat