Junge Erwachsene: prekäre Arbeit, ungewisse Rente
Die Arbeitsmarktunsicherheit junger Erwachsener hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Das wirkt sich negativ auf ihre Alterssicherung aus. Ein europäisches Forschungsprojekt hat das Sparverhalten und die Rentenansprüche junger Menschen im internationalen Vergleich untersucht und leitet aus den Ergebnissen Empfehlungen für die Rentenpolitik ab.
Befristete Arbeitsverhältnisse, längere Zeiten einer Nichtbeschäftigung und neue Formen atypischer Arbeit sind bei jungen Menschen überdurchschnittlich häufig anzutreffen (vgl. z.B. Blossfeld, Hofäcker & Bertolini 2011, Hofäcker & Kuitto 2023, Hvinden et al. 2019, European Youth Forum 2016). Diese Entwicklungen erschweren nicht nur die kurz- und mittelfristige Arbeitsmarktintegration junger Menschen, sondern haben auch langfristige Auswirkungen auf die Alterssicherung. Die Umstellung der Rentensysteme auf ein Mehr-Säulen-Modell mit zunehmender Bedeutung privater und betrieblicher Altersvorsorge führt dazu, dass von jungen Menschen vermehrt erwartet wird, neben der staatlichen Altersrente auch individuell für ihre Altersvorsorge zu sparen (vgl. z.B. Hinrichs 2021, Europäische Kommission 2019). Gleichzeitig erschwert ihre unsichere Arbeitsmarktsituation die Bildung derartiger Rücklagen erheblich.
Ein kürzlich abgeschlossenes europäisches Forschungsprojekt im Rahmen des EU COST Action-Netzwerkes „YOUNG-IN“ nahm diesen Widerspruch zwischen erhöhter Notwendigkeit und geringen Möglichkeiten zur Rücklagenbildung als Ausgangspunkt: Es untersuchte die langfristigen Auswirkungen von Arbeitsmarktunsicherheiten auf das Sparverhalten und die zukünftigen Rentenansprüche junger Menschen (Hofäcker & Kuitto 2023). Die Ergebnisse zeigen, dass Arbeitslosigkeit und atypische Beschäftigungsverhältnisse die Rentenansprüche zukünftiger Generationen in der Tat erheblich beeinträchtigen können. Sie reduzieren zum einen oftmals Ansprüche innerhalb der gesetzlichen „ersten Säule“ der Alterssicherung. Zudem werden auch die Möglichkeiten ergänzender Investitionen in die betriebliche „zweite Säule“ als auch in private Kapitalanlagen (dritte Säule) oder Wohneigentum erschwert. Besonders betroffen von derartigen Einschränkungen sind dabei junge Menschen mit geringeren Humankapitalressourcen, die oft langfristig in prekären Beschäftigungsverhältnissen verbleiben.
Diese Arbeitsmarktunsicherheit junger Erwachsener stellt eine erhebliche Herausforderung für die Alterssicherung dar. Um ein angemessenes Alterseinkommen für die junge Generation zu gewährleisten, sind umfassende arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen erforderlich.
1. Negative Konsequenzen unsicherer Beschäftigung auf Rentenanwartschaften vermindern
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Arbeitslosigkeit, insbesondere zu Beginn der Erwerbskarriere, schwerwiegende Folgen für die zukünftigen Rentenansprüche haben kann. Um diese negativen Auswirkungen zu mindern, sollten Rentensysteme sicherstellen, dass auch Zeiten der Arbeitslosigkeit oder anderer Erwerbsunterbrechungen Rentenansprüche generieren, zumindest auf dem Mindestniveau. Parallel sollten aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergriffen werden, um die (Wieder-)Eingliederung junger Menschen in den Arbeitsmarkt zu fördern, beispielsweise durch Weiterbildungsprogramme und gezielte Unterstützung bei der Arbeitssuche.
2. Neue, atypische Erwerbsformen besser in der Rentenberechnung berücksichtigen
Die zunehmende Verbreitung neuer, atypischer Beschäftigungsverhältnisse wie Plattformarbeit, Null-Stunden-Verträge und Solo-Selbstständigkeit stellt eine weitere Herausforderung für die Alterssicherungssysteme dar. Diese neuen Arbeitsformen sind oft nicht oder nur teilweise in den gesetzlichen Rentensystemen erfasst, was zu Rentenlücken führen kann. Um diese zu beheben, sollten gesetzliche Rentensysteme flexibler gestaltet werden, um auch diese neuen Erwerbsformen angemessen zu berücksichtigen, etwa durch die Einführung spezieller Beitragsregelungen für atypische Beschäftigungsverhältnisse oder durch die Schaffung von Anreizen für die freiwillige Rentenversicherung. Zusätzlich könnten Informationskampagnen junge Menschen über die Bedeutung der Rentenversicherung und die Möglichkeiten der Absicherung auch in atypischen Beschäftigungsverhältnissen aufklären.
3. Finanzielle Resilienz junger Menschen fördern
Forschungsergebnisse belegen, dass die Bereitschaft junger Menschen, Rücklagen für ihre Alterssicherung zu bilden, maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung ihrer finanziellen Sicherheit abhängt. Um die finanzielle Resilienz junger Menschen zu stärken, sollten arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergriffen werden, die stabile Beschäftigungsverhältnisse fördern und die Risiken flexibler Arbeitsformen besser abfedern. Gleichzeitig sollten junge Menschen durch gezielte Informationskampagnen und Beratungsangebote bei ihren Rentenentscheidungen unterstützt werden, um ihnen eine bewusste und angemessene Wahl zwischen verschiedenen Sicherungsoptionen zu ermöglichen.
4. Spezifische Programme für besonders vulnerable Gruppen
Junge Menschen mit fehlenden oder geringen Bildungsabschlüssen sind überproportional häufig von Problemen der Alterssicherung betroffen. Um deren Situation nachhaltig zu verbessern, sollten politische Maßnahmen nicht nur auf allgemeine renten- und arbeitsmarktpolitische Reformen abzielen, sondern auch bessere Bildungsmöglichkeiten für benachteiligte Gruppen schaffen, die deren Arbeitsmarktchancen erhöhen.
5. Junge Generationen bei zukünftigen Rentenreformen explizit berücksichtigen
Angesichts der strukturellen Probleme, die junge Menschen am Arbeitsmarkt aufweisen, ist es wichtig, ihre Bedürfnisse bei Rentenreformen explizit zu berücksichtigen. Zukünftige Reformen könnten etwa einer obligatorischen Prüfung der Auswirkungen auf die jüngere Menschen unterzogen werden, um sicher zu stellen, dass diese nicht zu Lasten der jeweils nachfolgenden Generationen junger Menschen gehen und deren langfristige Alterssicherung gefährden. Darüber hinaus sollten junge Menschen aktiv in den Reformprozess einbezogen werden. Dies setzt zum einen die Vertretung der Interessen Jugendlicher bei der Ausgestaltung von Renten- und Arbeitsmarktpolitik voraus. Zum anderen sollten Jugendliche verstärkt für die Thematik der Altersvorsorge sensibilisiert werden, um ihnen ein aktives Engagement im Politikprozess zu ermöglichen.
Die Erwerbssituation junger Menschen ist einem stetigen Wandel unterworfen. Ein systematisches Monitoring dieser Entwicklungen ist daher unerlässlich, um politische Entscheidungsträger rechtzeitig über notwendige Anpassungen der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik zu informieren. Neben finanzieller Nachhaltigkeit sollte auch die soziale Nachhaltigkeit der Rentenpolitik in europäischen Wohlfahrtsstaaten, die dem demographischen Wandel unterworfen sind, großgeschrieben werden.
Literatur
Blossfeld, H.‑P./Hofäcker, D./Bertolini, S. (Hg.) (2011): Youth on Globalised Labour Markets: Rising Uncertainty and Its Effects on Early Employment and Family Lives in Europe. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
Europäische Kommission (2019): Final Report of the High-Level Group of Experts on Pensions. https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=26001&langId=en (zuletzt abgerufen am 11.12.2024).
European Youth Forum (2016): Social Inclusion and Young People. Excluding Youth: A Threat to Our Future. https://www.youthforum.org/files/Excluding-youth-a-threat-to-our-future2028329.pdf (zuletzt abgerufen am 11.12.2024).
Hinrichs, K. (2021): Recent pension reforms in Europe: more challenges, new directions. An overview. Social Policy & Administration, 55(3), 409–22.
Hofäcker, D./Kuitto, K. (2023): Youth Employment Insecurity and Pension Adequacy. Cheltenham, UK: Edward Elgar Publishing.
Hvinden, B./Hyggen, C./Schoyen, M.A./Sirovátka, T. (2019): Youth Unemployment and Job Insecurity in Europe: Problems, Risk Factors and Policies. Cheltenham, UK and Northampton, MA, USA: Edward Elgar Publishing.
Kati Kuitto und Dirk Hofäcker 2025, Junge Erwachsene: prekäre Arbeit, ungewisse Rente, in: sozialpolitikblog, 27.03.2025, https://difis.org/blog/?blog=159 Zurück zur Übersicht

Dr. Kati Kuitto ist Senior Researcher und stellvertretende Leiterin der Forschungsabteilung der Finnish Centre for Pensions und Dozentin an der University of Helsinki. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung von Erwerbsbiographien und deren Auswirkungen auf die Alterssicherung, die vergleichende Analyse von Rentensystemen und -politik, Sozialpolitik im Lebensverlauf und soziale Nachhaltigkeit von Wohlfahrtsstaaten.

Prof. Dr. Dirk Hofäcker ist Professor für Quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung am Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der international vergleichenden Arbeitsmarkt- und Wohlfahrtsstaatsforschung, der Arbeitsmarktsoziologie und des Übergangs in den Ruhestand.